Ringsteinkabinett in Buchform von H. G. Lang (Augsburg), um 1800 entstanden |
Damit sind kleine Kästchen oder Kassetten in Buchform gemeint, in denen mehrere Fächer mit Vertiefungen für meist oval geschnittene Schmucksteine enthalten sind, die in einen beigegebenen Wechselring passen. Es wurden auch derartige Sammlungen ohne Ring gefertigt; diese waren vermutlich eher für das rein mineralogisch interessierte Publikum gedacht.
Derzeit sind uns 23 solcher Steinkabinette bekannt: Bei sechs Objekten dient ein kleines Holzkästchen als Behälter (eines ist mit 1801 datiert), bei 13 handelt es sich um Kassetten in Buchform, darunter ein Exemplar mit der Jahreszahl 1800. In 13 Fällen ist zumindest ein Ring vorhanden, fünf hatten wohl von Haus aus keinen Ring dabei, zu 10 dieser Sammlungen existiert noch ein Verzeichnis (meist in deutscher aber auch in französischer Sprache). Zumindest vier weitere Steinbücher sind gelegentlich erwähnt oder im Handel (beispielsweise in der Auktion vom 5. - 21. 10. 1995 in Baden-Baden) angeboten worden. Für eine möglichst umfassende Bestandsaufnahme wären Hinweise über deren Verbleib wünschenswert.
Obwohl alle diese Bücher und Kästchen kleinere Unterschiede aufweisen, sind einige davon zusammengehörig: Zwei Ringsteinbücher sind einander sehr ähnlich (einem Exemplar fehlt der Buchumschlag), beide haben einen französisch und in derselben Schrift verfassten Katalog, die Steine gleichen teilweise einander, jedoch wurde nicht die gleiche Auswahl getroffen. Vier Bücher tragen den Titel MINERALOGIE PORTATIVE; davon sind drei zwar nicht einheitlich gebunden, aber ähnlich konstruiert und könnten tatsächlich drei Teile einer solchen Sammlung darstellen. Auch zwei andere Exemplare (mit der Aufschrift AMUSEMENT LITHOLOGIQUE) würden, wenngleich etwas unterschiedlich gebunden, als zweibändige Schmucksteinsammlung zusammengehören. Zwei Holzkästchen weisen ebenfalls große Ähnlichkeit auf.
Ein Fach eines Schmuckstein- buches mit 21 geschliffenen Steinchen |
Drei Exemplare (eines davon mit 1800 datiert) sind dem Hersteller Heinrich Gottlob LANG aus Augsburg eindeutig zuordenbar, und es ist davon auszugehen, daß zumindest ein Teil der anderen Ringsteinkabinette ebenfalls in seiner Werkstatt entstanden sein muß. LANGs Spezialität war es jedoch, und auch die von ihm hergestellten Schmucksteindosen zeigen dies in perfekter Weise, auf einer flachen ovalen oder rechteckigen Unterlage aus Quarz, Marmor und dergleichen verschiedene Insekten, geschnitten aus Schmucksteinen aufzubringen. Häufig hat er auch einen kleinen, besonderen (Edel-)Stein auf eine weniger wertvolle, aber größere Basis geklebt. Diese Insekten und Doubletten sind bei allen von ihm signierten Steinkabinetten zu beobachten. Zwei weitere Sammlungen enthalten ebenfalls derartige aufmontierte Steine, die somit auf LANG als Hersteller hinweisen. H. G. LANG war selbst Mineraliensammler und hatte viele der Steine selbst gefunden. Zweifellos stand er auch in Tauschkontakt mit anderen Steinfreunden und stellte so im Laufe der Jahre verschiedene Suiten zusammen.
Alle diese Bücher oder Kästchen sind verschieden (mit Ausnahme der oben skizzierten Korrelationen), keines gleicht ganz dem anderen, es gibt etwa Unterschiede in den Abmessungen der Bücher, der Anzahl und Größe der Cabochons, manchmal sind die Schmucksteine rechteckig - mit abbeschrägten Ecken - geschnitten. Auch die Zusammensetzung des mineralogischen Inhaltes variiert sehr stark. Dies alles deutet darauf hin, daß damals keinerlei Serienproduktion stattgefunden hat. Vielleicht sind die Bücher auf Bestellung und innerhalb eines größeren Zeitraumes gefertigt worden. Möglicherweise hat LANG verschiedene Gesellen beschäftigt und diverse Buchbinder oder Tischler beauftragt, die Kassetten, Schuber und Fächer herzustellen. Wie ein Inserat des Dresdener Goldschmiedes Johann Christian NEUBER von 1786 zeigt, ist die Idee zu solchen Steinbüchern vielleicht in Dresden entstanden (einige der Steinkabinette könnten aus der NEUBER-Werkstatt stammen). H. G. LANG hat möglicherweise davon Kenntnis bekommen und diesen originellen "Verkaufsschlager" weiter entwickelt. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß auch andernorts Steinbücher oder -Kassetten erzeugt worden sind.
Recht interessant ist es, den mineralogischen Inhalt der "Steinkabinette" zu vergleichen. Gewisse "Standardsteine" können immer wieder beobachtet werden: beispielsweise Lapis-Lazuli aus dem "Orient" (Afghanistan), Aventurin von diversen Fundorten, Labradorit aus Amerika, "Schriftgranit" aus Sibirien, "Bandjaspis" von Gnandstein, Heliotrop aus Indien, "Nilkiesel" von Ägypten, Amethyst und Achate aus Sachsen (oftmals Trümmerachat von Schlottwitz oder Cunnersdorf), Puddingstein aus England, Amazonit aus Rußland, versteinertes Holz von Sachsen oder Ungarn. Einige dieser Zusammenstellungen enthalten fast nur Achate, andere sogar angeschliffene Erzmineralien, auch Spuren von Gold, dendritischem Silber und Kupfer.